Zum Abschluss der Ausstellung #NAKED verwandelte sich ein Teil der blauen FABRIK in ein fotografisches Experimentierfeld. Im mobilen Fotostudio und der spannenden Umgebung haben Gäste verschiedene Techniken der Lichtbildnerei erprobt und in eigenen Projekten umgesetzt. An den Ergebnissen, insbesondere bei den Sofortbildern (Fuji FP100 und Polaroid Originals), erkannten viele Besucher wieder, oder zum ersten Mal, welche Unwegbarkeiten, Risiken und Überraschungen im fotochemischen Prozess liegen und welch rudimentäre Mittel der Ergebniskontrolle bis vor zwanzig Jahren selbst den aufwändigsten kommerziellen Fotoproduktionen zur Verfügung standen. Den zweiten bangen- oder vorfreude- Moment erleben jetzt gerade diejenigen Teilnehmer, die mit der Kamera einen Film im Studio oder Garten belichteten und nun auf die entwickelten Bilder warten. Stimmen Schärfe und Belichtung? Wie habe ich das Licht gesetzt? Habe ich den richtigen Tiefenschärfebereich für meine Bildaussage gewählt? Funktioniert mein Bildausschnitt und Bildaufbau der 3D Realität auch auf dem zweidimensionalen Papierbild? Schafft es die Filmemulsion Farbigkeit und Dynamik meines Motivs nach meinen Erwartungen abzubilden? Diese Antworten gibt es erst, wenn der Film in einigen Tagen aus dem Labor kommt.
Doch sind es nicht genau diese Gefühle (und eintretenden Überraschungen), die uns als Menschen immer wieder faszinieren und Antreiben weiterzumachen? Mit der durch die digitale Spiegelreflexkamera entstanden Möglichkeiten der Sofortkontrolle ohne Verschwendung physischer Ressourcen wurde die Lernkurve bei Bildgestaltung und Beleuchtungswahl ziemlich steil … Mensch bekommt mit überschaubarem Aufwand einfach “gute Bilder” und kann bei Bedarf nachjustieren und weiß nach dem Aufnehmen der Bilder bereits, ob die Idee als Bild funktioniert. …Mensch kann sich sofort ins nächste Abenteuer stürzen ohne Gefühle auszukosten.
Die in modernen Handys verbaute KI beschleunigt diesen Ablauf noch mal weiter und zwar in zwei Dimensionen:
1. Die Bilder durchlaufen auf dem Weg von der, durch den Sensor aufgenommenen, Matrix von farbigen Helligkeitspunkten komplexe Bildberarbeitungsprozesse (HDR / Scharfzeichnen / Motiverkennung / Texturoptimierung ) zum auf dem Display angezeigten Bild. Mein Telefon benötigt hierfür einige Sekunden, zeigt dabei auf dem Bildschirm …letzter Feinschliff und präsentiert ein nach tradierten Bewertungsmethoden perfektes Bild … aber will ich das?
2. Weil das Bild so “schön geworden” ist kann ich es seit einigen Jahren auch insta(nd) direkt vom Gerät aus in die kleine (Familien-/Freundes)welt oder gleich global verteilen.
Die zweite Phase des fotografischen Prozesses (Labor) wo sich entscheidet auf welchen Materialien ein Bild ausbelichtet und in welcher Form es wie und wo präsentiert wird, kann dann nur noch einen untergeordnete Rolle spielen da alle das Motiv nun schon kennen und durch die Konfrontation in einem Buch oder in einer Ausstellung nicht mehr überrascht werden können. Dass der Wert des Mediums sich dadurch verändert kann ich nur für mich behaupten und erfreue mich weiter an der Komplexität klassischer Lichtbildnerei und deren Präsentation an Galeriewänden, bei Diashows und in Fotobüchern.